R&R Borges
Jul. 12th, 2008 02:02 amMemo an mich selbst: Schreibe nie wieder nach zwei Uhr nachts ein Review. So viele Tippfehler wie im letzten hatte ich ja schon lange nicht mehr drin. Dabei habe ich es sogar vorgeschrieben, bevor ich es gepostet habe. Das ist das wirklich peinliche daran. Asche über mein Haupt und weiter im Text.
Ich kann endlich wieder lesen. Leider musste ich nun schon oft genug feststellen, dass man nicht nur eine Schreibblockade, sondern auch eine regelrechte Leseblockade haben kann. Zumindest habe ich ab und zu eine solche. Ich will lesen, habe ein gutes Buch in Reichweite. Habe sogar Zeit zum Lesen. Aber es geht trotzdem nicht. Nach zwei Sätzen merke ich, dass ich gar nicht mehr weiß, was im ersten stand. Dann ist da noch diese seltsame Unruhe. Die eigentliche Blockade, die dieses Mal nicht die Kommunikation zwischen den Fingern zum tippen und dem Kopf mit den Ideen zu hemmen scheint, wohl aber eine Schicht Watte voller kribbelnder, krabbelnder Ameisen zwischen Gehirn und Augen packt. Ein paar sitzen auch in der Magengegend und wuseln dort herum, schneller und schneller wenn ich auch nur daran denke mich hinzusetzen und ein Buch in die Hand zu nehmen.
Doch wie gesagt, ich kann wieder lesen. Und ich lese, dazu noch einen meiner Lieblingsautoren: Jorge Luis Borges. Dabei habe ich meine Bekanntschaft mit ihm und seinen Texten nur einer glücklichen Fügung des Schicksals zu verdanken:
Ich kam eigentlich gar nicht zu Borges, sondern er kam zu mir. Per Post.
Meine Mutter ist Mitglied in der Büchergilde Gutenberg. Wem das nichts sagt, dabei handelt es sich um eine gehobenere Version des Bertelsmann Clubs. Dort bekommt man vor allem Schmuckausgaben und Sonderauflagen. Hardcoverbücher in echtem Leinen gebunden mit Illustrierungen von mehr oder weniger bekannten Künstlern.
Gemeinsam haben diese beiden Verlagshandel, dass man sich bei Eintritt verpflichtet regelmäßig auch etwas zu kaufen. Kommt man dem nicht nach, bekommt man den "Club-Vorschlag" zugeschickt. Unverbindlich, aber mit einer drängenden Mahnung behaftet. Kein Klaps auf den Hinterkopf, schon eher ein Stich ins Auge. Ich schweife ab.
Muttern hatte nichts bestellt und bekam nun also besagten Vorschlag. Es war eine illustrierte, in Leinen gebundene Ausgabe von Borges' Kurzgeschichtensammlung: "Das Aleph."
Sie wollte es nicht. Nun ist es bei mir so, dass ich Bücher, welche sich praktisch schon in meinem Besitz befinden, oder in diesem Falle in dem eines Familienmitglieds, gar nicht gerne wieder her gebe. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich den Autor oder den Titel kenne oder nicht. Bevor sie es zurück schicken konnte habe ich interveniert und ihr es abgekauft. Also die Rechnung übernommen, sie hatte es ja noch nicht bezahlt.
Borges stand erst einmal in meinem Regal. Ein halbes Jahr, vermutlich länger. Bis ich kurz vor meinem Aus- bzw. Umzug auf der Suche nach relativ dünnen, noch ungelesenen Büchern war. Dünn mussten sie sein, damit sie nicht so viel Platz wegnahmen und vor allem nicht so viel Gewicht verursachten. "Das Aleph" entsprach hundertprozentig diesen Kriterien.
Trotzdem dauerte es, bedingt durch eine weitere Leseblockade und das neueste Werk von Stephen King, noch gut einen Monat, bis ich es mir auf dem Weg zu meiner Schule in die Tasche steckte. Für die Bahn, so dachte ich, sind Kurzgeschichten besonders geeignet.
Das Borges einem viel mehr abverlangt, als man in einer voll, überfüllten S-Bahn zu geben in der Lage ist, hatte ich bald erkannt. Doch genau so bald hatte er mich gefesselt und mich in sein Labyrinth aus Verwirrung, sein Reich aus Spiegeln und Tigern gezogen. Er begleitete mich durch die kältesten Stunden, auf den dunkelsten Bahnhöfen. Vertrieb die längsten Minuten des Tages, als würde er sie einfach verschlucken. Lange hat mich ein Autor nicht mehr so gefesselt.
Anfänglich schreckte ich vor der Sprache zurück. Borges schreibt einfach. Dann erkannte ich, er schreibt einfach genial. Kein Wort ist zu viel. Die Sprache wirkt schlicht, ist aber dabei so klar und scharf und so verdammt treffend. Ich schwanke zwischen Erstaunen, Verehrung und beißenden Neid.
Nicht zu vergessen: die Plots. Die meisten aus dem phantastischen Bereich. Vorsicht, absolut nicht zu verwechseln mit dem heute gängigen Fantasy-Genre! Borges zieht einen in ein Labyrinth, legte eine scheinbar eindeutige Fährte und erst am Schluss merkst du, dass du die anderen drei übersehen hast und in die völlig falsche Richtung gerannt bist. Oder er lässt den Leser gleich ganz im Dunkeln und zum Schluss bist du noch nicht ganz sicher, wo nun oben und wo untern war.
Neben dem "Aleph" habe ich mir jetzt die "Universalgeschichte der Niedertracht" und die "Fiktionen" zugelegt. Alles Kurzgeschichten. Es warten noch Romane und ein paar lyrische Bände auf mich.
Kann es kaum erwarten. ;)
Ich kann endlich wieder lesen. Leider musste ich nun schon oft genug feststellen, dass man nicht nur eine Schreibblockade, sondern auch eine regelrechte Leseblockade haben kann. Zumindest habe ich ab und zu eine solche. Ich will lesen, habe ein gutes Buch in Reichweite. Habe sogar Zeit zum Lesen. Aber es geht trotzdem nicht. Nach zwei Sätzen merke ich, dass ich gar nicht mehr weiß, was im ersten stand. Dann ist da noch diese seltsame Unruhe. Die eigentliche Blockade, die dieses Mal nicht die Kommunikation zwischen den Fingern zum tippen und dem Kopf mit den Ideen zu hemmen scheint, wohl aber eine Schicht Watte voller kribbelnder, krabbelnder Ameisen zwischen Gehirn und Augen packt. Ein paar sitzen auch in der Magengegend und wuseln dort herum, schneller und schneller wenn ich auch nur daran denke mich hinzusetzen und ein Buch in die Hand zu nehmen.
Doch wie gesagt, ich kann wieder lesen. Und ich lese, dazu noch einen meiner Lieblingsautoren: Jorge Luis Borges. Dabei habe ich meine Bekanntschaft mit ihm und seinen Texten nur einer glücklichen Fügung des Schicksals zu verdanken:
Ich kam eigentlich gar nicht zu Borges, sondern er kam zu mir. Per Post.
Meine Mutter ist Mitglied in der Büchergilde Gutenberg. Wem das nichts sagt, dabei handelt es sich um eine gehobenere Version des Bertelsmann Clubs. Dort bekommt man vor allem Schmuckausgaben und Sonderauflagen. Hardcoverbücher in echtem Leinen gebunden mit Illustrierungen von mehr oder weniger bekannten Künstlern.
Gemeinsam haben diese beiden Verlagshandel, dass man sich bei Eintritt verpflichtet regelmäßig auch etwas zu kaufen. Kommt man dem nicht nach, bekommt man den "Club-Vorschlag" zugeschickt. Unverbindlich, aber mit einer drängenden Mahnung behaftet. Kein Klaps auf den Hinterkopf, schon eher ein Stich ins Auge. Ich schweife ab.
Muttern hatte nichts bestellt und bekam nun also besagten Vorschlag. Es war eine illustrierte, in Leinen gebundene Ausgabe von Borges' Kurzgeschichtensammlung: "Das Aleph."
Sie wollte es nicht. Nun ist es bei mir so, dass ich Bücher, welche sich praktisch schon in meinem Besitz befinden, oder in diesem Falle in dem eines Familienmitglieds, gar nicht gerne wieder her gebe. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich den Autor oder den Titel kenne oder nicht. Bevor sie es zurück schicken konnte habe ich interveniert und ihr es abgekauft. Also die Rechnung übernommen, sie hatte es ja noch nicht bezahlt.
Borges stand erst einmal in meinem Regal. Ein halbes Jahr, vermutlich länger. Bis ich kurz vor meinem Aus- bzw. Umzug auf der Suche nach relativ dünnen, noch ungelesenen Büchern war. Dünn mussten sie sein, damit sie nicht so viel Platz wegnahmen und vor allem nicht so viel Gewicht verursachten. "Das Aleph" entsprach hundertprozentig diesen Kriterien.
Trotzdem dauerte es, bedingt durch eine weitere Leseblockade und das neueste Werk von Stephen King, noch gut einen Monat, bis ich es mir auf dem Weg zu meiner Schule in die Tasche steckte. Für die Bahn, so dachte ich, sind Kurzgeschichten besonders geeignet.
Das Borges einem viel mehr abverlangt, als man in einer voll, überfüllten S-Bahn zu geben in der Lage ist, hatte ich bald erkannt. Doch genau so bald hatte er mich gefesselt und mich in sein Labyrinth aus Verwirrung, sein Reich aus Spiegeln und Tigern gezogen. Er begleitete mich durch die kältesten Stunden, auf den dunkelsten Bahnhöfen. Vertrieb die längsten Minuten des Tages, als würde er sie einfach verschlucken. Lange hat mich ein Autor nicht mehr so gefesselt.
Anfänglich schreckte ich vor der Sprache zurück. Borges schreibt einfach. Dann erkannte ich, er schreibt einfach genial. Kein Wort ist zu viel. Die Sprache wirkt schlicht, ist aber dabei so klar und scharf und so verdammt treffend. Ich schwanke zwischen Erstaunen, Verehrung und beißenden Neid.
Nicht zu vergessen: die Plots. Die meisten aus dem phantastischen Bereich. Vorsicht, absolut nicht zu verwechseln mit dem heute gängigen Fantasy-Genre! Borges zieht einen in ein Labyrinth, legte eine scheinbar eindeutige Fährte und erst am Schluss merkst du, dass du die anderen drei übersehen hast und in die völlig falsche Richtung gerannt bist. Oder er lässt den Leser gleich ganz im Dunkeln und zum Schluss bist du noch nicht ganz sicher, wo nun oben und wo untern war.
Neben dem "Aleph" habe ich mir jetzt die "Universalgeschichte der Niedertracht" und die "Fiktionen" zugelegt. Alles Kurzgeschichten. Es warten noch Romane und ein paar lyrische Bände auf mich.
Kann es kaum erwarten. ;)