lucindana: (Default)
lucindana ([personal profile] lucindana) wrote2009-10-27 12:44 am

Bricks In The Wall - Kapitel 7

Titel: Bricks In The Wall
Fandom: Harry Potter
Genre: Drama
Rating: ab 16 Jahren
Charaktere: Severus Snape; Lily Evans; Rumtreiber; Evan Rosier; Avery; Lucius Malfoy

Inhalt Die Geschichte des Prinzen. Canon!

Brechen

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Knock, knock, knocking on heavens door …

(Guns 'n' Roses)

~




Severus muss einen furchtbaren Anblick abgegeben haben, denn der Wasserspeier ließ ihn ohne Kommentar passieren. Er stolperte zwei Mal, so eilig hatte er es die Treppe hinauf zu kommen. Mit zitternder Hand umfasste er die Klinke und drückte sein ganzes Körpergewicht gegen die schwere Holztür.

"Professor Dumbledore, ich muss ihnen unbedingt...", platze Severus heraus, noch eher er den Raum richtig betreten hatte. Albus Dumbledore saß hinter seinem Schreibtisch. Er hielt seine Brille mit den Halbmondgläsern in der Hand. Neben ihm stand eine etwas derangiert wirkende Minerva MacGonagall.

"Ruhig, mein Junge ..."

"Aber Professor, es ist wicht ..."

"Beruhigen Sie sich, Mr Snape. Ich versichere .."

"Aber Sir, Lupin ist ..."

"Mr Snape!" Im Gegensatz zu ihrem Kollegen war Minerva MacGonagalls Stimme alles andere als ruhig und gelassen. Ihre Rüge ließ Severus verstummen. Noch immer kribbelte und zwickte die Nachricht in ihm herum als wären da tausende Termiten, die sich mit allen Mitteln ans Licht fressen wollten. Doch die Lehrerin bliebt hart. "Wir fangen am Besten noch einmal an, Mr. Snape, und zwar indem sie anklopfen bevor sie das Büro des Schulleiters betreten und nicht einfach hereingestürmt kommen wie ein wild gewordener Minotaurus."

"Hören sie mir zu. Remus Lupin ist ein WERWOLF!" Er schrie das letzte Wort regelrecht in den Raum.

Dumbledore setzte seine Brille auf. "Ich weiß", sagte er gelassen.

Severus starrte ihn perplex an. Daher bekam er kaum mit, als MacGonagall ihn mit sanfter Gewalt am Arm packte und zur Tür hinaus bugsierte.

"Nun machen sie schon. Professor Dumbledore und ich haben noch etwas zu besprechen. Wir rufen sie dann herein." Mit einem beläufigen Schlenker ihres Zauberstabes beschwor sie ein Glas Wasser und reichte es Severus. "Trinken Sie das."

Ungläubig starrte der Slytherin zu seinem Schulleiter hinüber, der jedoch nur aufmunternd nickte. "Einen Augenblick noch, Severus. Ich weiß, du musst ziemlich durcheinander sein, aber ich werde dir bald alles erklären."

Vor den Kopf gestoßen und ohne es bewusst mitzubekommen verließ Severus das Büro. Er kam sich vor wie wie ein Idiot als er direkt vor der verschlossenen Tür stehen blieb und darauf wartete erneut hinein gerufen zu werden. Das Wasserglas schwebte wenige Sekunden neben ihm in der Luft, sank lautlos zu Boden und verschwand.

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Sirius kam gerade die Treppe hinunter, die in die Eingangshalle führte, als James das Schlossportal aufstieß und mit großen, weit ausgreifenden Schritten die Halle durchquerte. Sirius sah er nicht einmal an, als er an ihm vorbei lief, zwei Stufen auf einmal nehmend. Letzterem blieb nichts weiter übrig, als seinem Freund nachzulaufen.

"Wie konntest du das tun?", fauchte James ihn an, ohne inne zu halten, bevor Sirius auch nur den Mund aufmachen konnte.

"Es tut mir Leid." Sirius spürte, wie er Seitenstechen bekam, die nicht nur mit dem schnellen Laufen zu tun hatten.

"Verdammt noch mal Sirius, wie konntest du das nur tun, Ich begreif das einfach nicht! Du hast nicht einmal darüber nachgedacht, oder?"

Sirius spürte, wie sich ein Klos in seinem Hals bildete. "Ich habe es für dich getan. Ich wollte Snape bestrafen für das was er Lily angetan hat."

"Nichts was Snape oder ein anderer Slytherin je tun könnte rechtfertigt es dich und Remus zu Mördern werden zu lassen," gab James aufgebracht zurück.

Sirius fühlte sich so elend, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Der Klos wurde immer dicker und die Schuldgefühle drohten ihn zu ersticken. "Ich dachte nicht … ", begann er leise, doch seine Stimme brach. Eigentlich wusste er auch nicht, was er sagen wollte. Oder sagen sollte.

"Was? Du dachtest nicht was, Sirius?"

"Ich dachte nicht, dass…" Er räusperte sich, doch es nutze nichts. Hilflos zuckte er mit den Achseln. "Keine Ahnung." Es war kaum mehr ein Flüstern.

"Das Remus ihn umbringen würde? Er verwandelt sich bei Vollmond in einen Werwolf, Sírius. In einen Werwolf, nicht in ein Schoßhündchen."

"Das ist mir klar."

"Na, offensichtlich nicht."
Sirius wurde schlecht. Er bekam kaum noch Luft und seine Augen brannten. Er blieb stehen und schloss kurz die Augen. "Ich hab nicht nachgedacht, okay. Ich hab einfach nicht nachgedacht", wiederholte er.

James stoppte ebenfalls. "Das hättest du aber tun sollen", sagte er, während er sich zu seinem Freund umdrehte.

Dieser hatte sich gegen eine Wand gelehnt und kämpfte gegen den Drang an, sich auf der Stelle zu übergeben. "Es tut mir Leid. Wie oft soll ich es den noch sagen? Es - tut - mir - Leid!" Bei jedem Wort schlug er mit dem Hinterkopf dumpf gegen die Mauer.

James Potter schüttelte den Kopf. "Sag das Remus, nicht mir", sagte er leise und ging weiter.

Sirius richtete sich auf. "James? Wo willst du hin? JAMES?", rief er ihm nach.

Im Laufen drehte James sich herum. "Zu Dumbledore und zu Remus. Ich will wissen, was nun passiert."

"Was soll passieren? Ich dachte Snape ist nichts passiert und …"

"Eben. Ihm ist nichts passiert.", fauchte James während er rückwärts weiter ging. "Erinnerst du dich daran, was ich gestern gesagt habe? Darüber, was passiert wenn Severus Snape jemals herausfinden sollte, dass Remus ein Werwolf ist und er nach dieser Erfahrung noch in der Lage ist sich in irgend einer Weise mitzuteilen."

"Ach du Sch…"

"Das trifft es nur halb, meinst du nicht auch?", erwiderte James eisig.

"Aber das wird Dumbledore doch verhindern?" Sirius warf James nur einen schnellen Blick zu. Dieser presste seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.

"Ich hoffe es", sagte James, bevor er am Ende des Ganges hinter einer Ecke verschwand. Sirius fühlte wie sein Magen sich umdrehte. Er konnte sich gerade noch nach vorne beugen und seine Haare unbeholfen nach hinten wischen.

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Es dauerte ganze fünf Minuten. Fünf Minuten, in denen Severus nichts anderes tat als weiterhin die geschlossene Tür anzustarren. Das unkontrollierbare Zittern, welches von ihm selbst unbemerkt seinen Körper erfasst hatte, wich einem alles umfassenden Gefühl der Taubheit eines beginnenden Schockzustandes. Selbst die Geräusche um ihn herum, das leise Echo der Stimmen aus dem Büro; das sandige, kratzige Rascheln der Flügel des steinernen Wasserspeiers, der sich offenbar mit aller Macht wach zu halten versuchte, verdumpfte in einer wattigen Wolke aus seelischem Nichts. Severus bewegte sich nicht ein einziges Mal, bis sich die Tür wieder öffnete und er von Professor MacGonagall hinein geführt wurde. Noch immer nicht ganz bei sich und halb in Trance setzte er sich in den Stuhl vor dem Schreibtisch des Schulleiters. Doch bevor dieser etwas sagen konnte, wurde die Tür erneut aufgestoßen.

Herein gestürzt kamen ein völlig atemloser James Potter und ein leicht grünlich angelaufener Sirius Black. Augenblicklich begannen beide zu reden.

"Es war meine Schuld …"

"Er hat ihm nichts getan …"

"Es war meine Schuld, Professor."

"Wo ist Remus?"

Dumbledore hob die Hand. Das brachte die Gryffindors zum verstummen. Severus wartete, doch es folgte nichts. Keine Rüge, keine Anklage. Keine Aufforderung draußen zu warten. Statt dessen lächelte der Schulleiter.

"Remus geht es gut. Er befindet sich derzeit im Krankenflügel und ruht sich dort aus."

"Er hat ihn gesehen." Potter deutete auf Severus.

"Ich werde alles mit Mr Snape hier besprechen. Bitte, macht euch keine Sorgen. Am besten ist es, wenn ihr beide in euer Haus zurück kehrt und dort wartet. Sprecht mit niemandem über die Ereignisse in dieser Nacht, habt ihr mich verstanden?"

"Ja, Sir."

Trotz der schnellen Antwort zögerte James. Sein Blick ruhte auf dem aschfahlen Gesicht des Slytherins, der ihn aus glasigen Augen, mit unnatürlich vergrößerten Pupillen erwiderte. Es kam ihm so vor, als würde er den Slytherin in jenem Sekundenbruchteil das erste Mal sehen. Obwohl Severus Snape gut einen Kopf größer als er selbst war, wirkte er sehr klein. Sehr klein und schrecklich jung. Das dort auf dem Stuhl war kein Monster. Kein böser schwarzer Zauberer. Kein … Subjekt, dass man ärgern konnte. Kein Vergnügen in den Pausen zwischen dem Unterricht. Es war ein fünfzehn Jahre alter Junge, der den Tod gesehen hatte.

Und er trug eine Mitschuld daran. Vielleicht sogar die größte Schuld. Daran, dass Snape so verbissen versucht hatte hinter Remus Geheimnis zu kommen. Daran, dass er zwei seiner besten Freunde beinahe zu Mördern gemacht hätte.

"James …" Sirius zog seinen Freund am Ärmel. "James, komm schon."

Doch James blieb stehen. "Geht es dir gut?", fragte er leise. "Geht es ihm gut?", wiederholte er in Dumbledores Richtung, als Severus nicht reagierte.

"Gehen sie jetzt", wies MacGonagall sie an. "Wir kümmern uns um Mr Snape."

Die Tür schloss sich mit sanftem Klicken.

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Severus hatte die Augen geschlossen. Die noch sehr junge Krankenschwester Madame Pomfrey hatte die Vorhänge um sein Bett zugezogen. Der Becher mit dem dampfenden Trank, welcher einen traumlosen Schlaf garantieren sollte, stand unangetastet auf dem Nachttisch. Er konnte ihre Stimmen hören. Leise, aber glasklar.

"Oh Albus, wie konnte das nur passieren?"

"Darüber reden wir später. Wie geht es ihm, Poppy?"

"So weit ganz gut. Er hat nur eine ordentliche Beule an der Stirn, ansonsten fehlt ihm nichts. Zumindest nicht körperlich."

Die Stimme des Schulleiters hörte sich an, als wäre ihm mehr als nur eine Last von den Schultern genommen worden. "Gut. Und ansonsten?", fragte er.

"Wie gesagt, körperlich ist mit dem Jungen alles in Ordnung. Nur ich fürchte, er steht noch unter Schock." Sie machte eine Pause und kurz darauf hörte
Severus wie Madame Pomfrey sich lautstark schnäuzte. "Der arme Junge. Er ist 15 Jahre alt, fast noch ein Kind und stand gerade einem ausgewachsenen Werwolf gegenüber. Sagen sie, ist es wahr, dass James Potter ihm das Leben gerettet hat?"

Severus Knöchel wurden weiß, so fest krallte er seine Finger in den Bettbezug. In seinen Ohren rauschte es. Er hörte nicht, was Dumbledore antwortete. Es interessierte ihn auch nicht. Die vergangene Stunde kam ihm vor wie ein Alptraum. Seine Begegnung mit Lupin hatte er nur noch bruchstückhaft im Kopf. Alles was er sah, wenn er versuchte sich daran zu erinnern, war ein Haufen graues Fell und Zähne. Messerscharfe Zähne und Klauen, welche überall gleichzeitig zu sein schienen. Dann wurde es schwarz und das nächste, an was er sich erinnern konnte, war wie er in den Gang einbog, in welchem der Aufgang zu Dumbledores Büro lag.

In seinem Kopf drehte sich alles. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Doch je mehr er versuchte sich zu erinnern, desto verschwommener wurden die Bilder. Severus wusste nur eines ganz sicher: Er wollte nun auf gar keinen Fall schlafen. Mit zitternden Fingern tastete er auf dem Becher neben dem Nachttisch. Er leerte ihn einfach auf der anderen Seite aus, zu mehr war weder sein Körper, noch sein Gehirn in der Lage. Mit etwas Glück würde Madame Pomfrey die Pfütze in der Dunkelheit nicht bemerken.

Severus behielt die Augen geschlossen. Er bewegte sich nicht, als die Krankenschwester zusammen mit Professor Dumbledore zurück kehrte. Er gab keinen Mucks von sich, als jemand ihn zudeckte und ihm die Stirn fühlte. Er rührte sich nicht, als sie Remus Lupin herein brachten. Er reagierte nicht, als die Sonne durch die Vorhänge fiel und Madame Pomfrey den Rest der Rumtreiber vor dem Krankenflügel verscheuchte. Er blieb regungslos liegen, als es schon auf den Mittag zuging und ihn jemand ein paar Mal sanft anstupste. Er öffnete die Augen, als eine vertraute Stimme leise seinen Namen sagte:

"Severus?"

Er blinzelte. Obwohl die Vorhänge um sein Bett herum noch immer geschlossen waren, stach ihm die Helligkeit in den Augen. Severus stöhnte leise und drehte den Kopf auf die andere Seite, weg vom Licht. Sein Blick fiel auf eine Hand, die sich auf dem Bett abstützte.

Neben ihm, auf der Kante, saß Francis Avery und musterte ihn aufmerksam. "Du lebst also noch."

"Ja", antwortete er schlicht. Severus war überrascht von sich selbst. Er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Stimme ihm gehorchen würde.

Avery nickte. "Wie geht es dir?", fragte er.

"Gut. Denke ich." Severus versuchte sich aufzusetzen, Er hatte schreckliche Kopfschmerzen. "Wer hat dich rein gelassen?"

"Madame Pomfrey. Ich habe gesagt, ich bin dein Freund und sie meinte, es wäre an der Zeit dass du aufwachst. Ich sollte es versuchen."

Severus schwieg. Es dauerte länger als sonst, bis die Worte sein Gehirn erreichten. "Aha", meinte er schließlich. Seine Zunge fühlte sich schmerzhaft trocken an.

Als hätte er seine Gedanken gelesen reichte Avery ihm ein Glas Wasser. "Hier, trink etwas."

"Danke." Severus nahm es ihm ab, rührte es jedoch nicht an. Gedankenverloren starrte er auf die klare Oberfläche. Die Erinnerung an seine Demütigung in Dumbledores Büro kehrte zurück und Severus fühlte, wie Wut den Knoten in seiner Kehle und seinen Eingeweiden löste, sich heiß und tröstend ausbreitete und ihn aus seinem schwebendem Zustand der Empfindungslosigkeit befreite.

Er wusste nur nicht, ob er schreien oder weinen wollte. Am Ende tat er keines von Beidem. Er stellte das Glas behutsam auf seinem Nachtisch ab.
Der Grauschleier seiner Gedanken hatte sich zu lösen begonnen und dann war er bereit zu erfassen, wer dort vor ihm saß. "Was willst du hier?", fragte er.

"Ich habe gehört was passiert ist."

Severus schwieg.

"Stimmt es."

Severus zögerte. "Stimmt was?", fragte er ausweichend.

"Das reicht mir."

Als wäre damit wirklich alles gesagt schwiegen für einen kurzen Augenblick beide.

"Was hat Dumbledore dir gesagt", nahm Avery das Gespräch wieder auf. "Was hat er gesagt? Etwa, dass du nicht darüber reden sollst?" Avery wartete gar nicht erst auf eine Antwort. "Du musst mir nichts erzählen. Aber ich möchte dir etwas erzählen. Wenn ich darf? Du kannst ruhig die Augen schließen, wenn es dir dann besser geht. Aber ich möchte, dass du mir zuhörst. Kannst du das?"

Severus nickte stumm. Er behielt die Augen offen und wartete ab. Es dauerte eine Weile, bis Avery begann. Als er sprach, klang seine Stimme ruhig, jedoch sehr leise. Er machte immer wieder Pausen.

Nach dem er geendet hatte, blieben beide Jungen trotz ihrer Nähe eine Weile für sich.

Avery starrte auf etwas in der Ferne, das nur er zu sehen schien. Severus betrachtete seine schwarz unterlaufenen Fingernägel. An einigen Kuppen hatten sich Blutergüsse gebildet und er konnte sich ihre Existenz beim besten Willen nicht erklären.

"Ich wollte sie verletzen", sagte er plötzlich.

"Ich weiß."

"Wenn mir etwas zugestoßen wäre, hätten sie Lupin einsperren müssen. Und James und Sirius hätte dabei zusehen müssen."

"Ja."

"Ich wollte sie brechen."

"Ja."So wie Avery es sagte, klang es gut. Wie eine Absolution.

"Ich wollte ihnen das antun, was sie … was sie … Ich wollte… "

Lautlos, regungslos. Das letze Mal vor dem Sommerregen - Severus weinte.

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Einen Tag später wurde er aus der Krankenstation entlassen. Rein körperlich gesehen, hätte er schon viel früher gehen können, doch die Krankenschwester wollte sicher gehen, dass er genug Ruhe bekam. Professor Dumbledore war noch einmal zu ihm gekommen, doch viel Neues hatte Severus ihm nicht berichten können. Noch immer war der eigentliche Angriff des Werwolfs eine graues Knäul aus Zähnen und Fell in seiner Erinnerung.

Er hoffte sehr, dass es so blieb.

Sie hatten ihm einen kleinen Vorrat des Trankes für traumlosen Schlaf gegeben und ihm das Versprechen abgenommen, dass er sich sich vor seiner Abreise in die Ferien noch einmal melden würde.

"Sev? SEV!" Lily packte ihn von hinten an der Schulter und riss ihn ungestüm herum. Bevor er reagieren konnte hatte sie ihn schon zittrig umarmt und wieder losgelassen.

"Bei Merlin wo warst du? Potter und seine Freunde saßen gestern morgen bei uns im Gemeinschafts, alle sahen aus, als hätten sie den Tod persönlich getroffen. Irgend jemand hat gesagt, du wärest im Krankenflügel und da hab ich mich natürlich gleich auf den Weg gemacht, aber sie haben mich nicht zu dir gelassen und heute morgen warst du nicht nicht da und niemand konnte mir sagen wo du … WO WARST DU?"

"Unten am See. Ich musste nachdenken."

"Aber was ist denn passiert, verdammt noch mal? Rede mit mir, Sev. Du siehst zum fürchten aus", setzte sie hinzu und hob die Hand, um ihm über die Wange zu streichen. Severus bog den Kopf zur Seite, weg von ihr.

Er antwortete nicht.

Lily gab sich Mühe sein Ausweichen zu ignorieren und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr es sie verletzte. Kleine Nadeln stachen in ihre Brust. Langsam ließ sie die Hand sinken. "Bei uns meinten sie, James hätte dir das Leben gerettet", fragte sie sehr vorsichtig.

"Ach und deshalb ist er jetzt auf einmal James, nicht mehr einfach nur Potter?", entgegnete Severus scharf.

Sie ignorierte auch das. "Stimmt es denn?", fragte sie nur.

"Wenn schon die ganze Schule darüber Bescheid weiß, wird es wohl stimmen."

"Was ist denn passiert? Severus, bitte, rede mit mir."

"Frag doch Potter. Der erzählt es dir bestimmt gerne Potter der Held, ich wette er brüstet sich gerade damit und lässt sich von seinen Fans bewundern.
Dann kannst du dich sicher prima eingliedern. "

"Scheiße! Ich werde ihn nicht bewundern, ich weiß doch auch gar nicht, was eigentlich los ist. Und deshalb will ich nicht Potter oder Black fragen, ich will es von dir hören! Ehrlich gesagt habe sie alle auf mich keinen sonderlich glücklichen Eindruck gemacht."

Severus schnaubte abfällig.

"Severus, was ist vorgestern Nacht passiert?"

"Black hat mir einen seiner Streiche gespielt", antwortete er ausweichend.

Lily schloss die Augen. Sie kannte die Streiche, welche die Rumtreiber mit Severus spielten. Sie wusste auch, dass die Gryffindors ebenso wie die Slytherins dazu tendierten über das Ziel weit hinaus zu schießen, wenn auch in anderer Art und Weise. Und sie wusste, wie sehr ihr Freund unter diesen Streichen litt, auch wenn er niemals offen darüber sprach. Nicht einmal mit ihr.

Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Unterlippe. "War es ... schlimm?"

"Ja."

Kurz schloss sie die Augen. "Was hat er getan?"

Severus sah ihr nun zum ersten Mal seit Wochen direkt in die Augen.

Lily rechnete mit allem … außer dieser Antwort.

"Er hat versucht mich umzubringen."

"WAS?" Die Frage entfuhr ihr, ohne dass sie darüber nachdenken oder es verhindern konnte. Für einen Moment war sie fest davon überzeugt sich verhört zu haben. Als jedoch keine weitere Erklärung folgte schüttelte sie ungläubig den Kopf.

"Das … glaub ... Das kann … Was ist passiert?", brachte sie schließlich hervor.

"Du glaubst mir nicht." Severus Blick wurde hart.

Lily wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Rumtreiber schlugen manchmal .. meistens über die Stränge, ja. Besonders wenn es um Sev ging. Aber Mord? "Sev, ich weiß, dass James Potter und Sirius Black zu Übertreibungen neigen. Aber ich bin mir auch sicher, dass sie niemanden umbringen wollen. Schon gar nicht absichtlich. Vielleicht war es ein Unfall, oder ..."

"Nein, Lily, es war kein scheißverdammter Unfall. Eure ach so tollen Gryffindor Helden wollten mich umbringen. Nur hat der gute James im letzten Augenblick kalte Füße bekommen und mich zurück gezerrt."

"Zurück wovon? Wovon?"

"Kann ich dir nicht sagen."

"Was? Wieso kannst du mir das jetzt schon wieder nicht sagen."

"Dumbledore hat es mir verboten." Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte konnte er sehen, wie sich etwas in Lilys Haltung veränderte. Sie wich vor ihm zurück. Vielleicht tat sie es unbewusst, doch er merkte es. Genau wie er merkte, dass sie ihm nicht glaubte. Sie glaubte ihm jetzt nicht und nichts was er sagen oder tun würde, konnte das ändern.

"Dumbledore hat ..? Severus, ich glaube wirklich nicht das Professor Dumbledore schon einmal irgend jemandem verboten hat etwas zu sagen."

"Tja, dann hast du dich getäuscht. Heute Morgen hat er es getan. Klar und deutlich. Ist doch verständlich, wenn seine beiden Lieblinge drauf und dran
waren zu Mördern zu werden."

"Hör auf damit!"

"Was? Ich soll aufhören mit was, Lily?"

"Ich will dir ja glauben."

"Aber?"

"Aber es klingt so … "

"Habe ich dich jemals belogen?"

"Ich …"

"Habe ich dich jemals angelogen, Lily Evans."

Die Pause lastete schwerer zwischen ihnen als die Grundmauern des Schlosses, vor dem sie standen.

"Ich weiß es nicht, Severus", sagte Lily schließlich leise. "Vor einem halben Jahr hätte ich sofort mit nein geantwortet. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr
sicher."

"Schön." Er drehte sich auf dem Absatz herum und stapfte davon.

"Sev! Sev! Severus!" Dieses Mal war es Lily, die ihrem Freund nachlief.

Genau so plötzlich wie er sich in Bewegung gesetzt hatte blieb Severus auch wieder stehen. "Warum? Warum sollte ich dich belügen. Warum sollte ich mir ausdenken, dass Potter und Black mich töten wollten? Klar, weil ich sie hasse. Weil wir das sind, was man im allgemeinen als 'Erzfeinde' bezeichnet. Aber wer würde mir so eine Geschichte schon glauben, hm? Wer würde mir glauben, wenn du es noch nicht einmal tust? Warum also, sollte ich lügen?"

"Nun … ich weiß nicht. Weil die Lehrer … . Severus, wenn James und Sirius tatsächlich versucht hätten dich zu …"

"Töten. Ermorden. Umzubringen", half Severus ihr kalt aus.

"Dumbledore würde ihnen das nicht durchgehen lassen. Dann würden die beiden jetzt nicht in unserem Gemeinschaftsraum sitzen, oder? Wenn so etwas schreckliches passieren würde, dann würden sie Lehrer eingreifen und helfen und …" Lily brach erschrocken ab.

Bei ihren letzten Worten hatte Severus laut aufgelacht. Die junge Hexe hatte noch nie ein so kaltes, so freudloses, so bitteres Lachen gehört. Entsetzt starrte sie ihren Freund an. Das war nicht der Severus Snape, den sie schon seit ihren Kindertagen kannte. Vor ihr stand in diesem Augenblick ein völlig Fremder und zum ersten Mal hatte Lily Angst vor ihm. Richtige Angst. Sie stolperte ein paar Schritte rückwärts, bis sie mit dem Rücken an eine Mauer stieß.

"Helfen?", fragte Severus. "Die Lehrer helfen einem, sagst du? Wann?" Es klang hart. Kalt, fast höhnisch.

"Ich glaube … " Lily brach ab.

"Was?" Severus kam näher. "Was glaubst du? Das ich spinne? Das du gehen solltest? Das nicht ganz bei mir bin? Dann will ich dir mal helfen: Vielleicht, vermutlich, keine Ahnung. Kann sein, dass ich langsam durchdrehe. Keine Ahnung, ob ich ganz bei mir bin. Ich wäre heute nacht beinahe zerfleischt worden, da kann man schon mal ein wenig durcheinander geraten. Und wenn du mir, als meine bis dato einzige und beste Freundin nicht glaubst, tja, dann solltest du jetzt vermutlich wirklich besser gehen."

"Severus …"

"Hör auf mit diesem Severus - Gerede." Er trat zurück. "Er hatte Recht."

"Wer hatte recht?", fragte Lily, doch Severus hörte ihr gar nicht zu.

"Vergiss es.", sagte er. "Vergiss es einfach. Und vergiss den Trank. Weißt du was, lass mich einfach n Ruhe, okay, Lily? Lass mich in Ruhe. Geh zurück
zu Potter, geh zu deinen Gryffindors wo du hingehörst und … ich gehe zu Leuten die mich verstehen. Die mich ernst nehmen. Die mir nicht nur helfen können, sondern es auch wollen. Die mir glauben!"

"Sev… wir haben übermorgen Ferien … "

"Ich pfeif auf deine Ferien. Und ich hab doch gerade gesagt, dass du den Trank vergessen kannst. Der Plan hat sich geändert, ich bleibe nämlich nicht hier. Ich fahre weg."

"Weg? Aber wohin denn, ich habe extra meinen Eltern gesagt …"

"Zu meinen Freunden. Mit meinen Freunden Lily, fahre ich über Weihnachten weg um mit ihnen auch Weihnachten zu verbringen. Mit meinen intriganten, schwarzmagischen, bösen, arroganten, Slytherin-Freunden. Die mich aber nicht als Lügner bezeichnen. Die mir zuhören und mir glauben!"

Er spuckte das letzte Wort regelrecht aus.

Lily war den Tränen nahe. Sie wusste einfach nicht mehr, was sie sagen sollte.

"Sev." Es war Beschwichtigung und Hilfeschrei zugleich.

"HÖR AUF, hab ich gesagt." Er brach ab. Als die Treppe erreicht hatte, die hinunter in die Kerker führte, drehte er sich noch einmal zu ihr um. "Wir sehen uns nach den Ferien", sagte er leise und verschwand.

"Aber Severus … ich will dir ja glauben. Ich versuche es. Bitte, bleib stehen. Sev? SEV!"

Zurück blieb der Schrei.



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